Probeneifer?

Heute probt die Chorgemeinschaft Leonding jeden Freitagabend für jeweils 1½ Stunden. In den Anfängen, zu Zeiten der Liedertafel, mussten die Sänger noch zwei- bis drei-mal pro Woche zum Appell antreten. Noch am Abend nach der Gründungsversammlung folgte im Anschluss eine Singprobe, so groß waren der Tatendrang und die Freude darüber, dass die Vereinsgründung nun endlich gelungen war. Das in Leonding vorhandene Sängermaterial gestattete es Lehrer Alois Wittmanns Amtverständnis als Chormeister jedoch nicht, gleich voll zur Tat zu schreiten, erst mussten in mühevoller Kleinarbeit die Grundsteine gelegt werden, denn so wenig es am Sangeseifer mangelte, so sehr lagen die Grundbegriffe der Musiktheorie im Argen. Für viele Sänger waren die Noten nur schwarze Punkte ohne jegliche Bedeutung, was es rasch zu ändern galt. Es waren „saure Stunden“, erzählte einer: „gar mancher hätte lieber einen halben Tag geackert, als sich hier mit Noten, Tackte (sic.), Vorzeichen u.s.w. herumzuschlagen“.

Kein Klavier

Da in den ersten Wochen noch kein Klavier zur Verfügung stand, war es für Wittmann naheliegend, sich dem Theorieunterricht zu widmen. Mit dem Eintreffen des Begleitinstruments konnte dann auch mit dem Singen begonnen werden. Der Krieg sollte zwar bald darauf dem fröhlichen Singen ein vorübergehendes Ende bereiten, bis dahin war aber der Eifer ungebrochen.

Zum Neustart 1920 mussten die Sänger wieder eingeschult werden, waren doch viele der mühsam erworbenen Kenntnisse auf den Schlachtfeldern zurückgeblieben. Wie sehr, lässt sich wahrscheinlich daran ermessen, dass sich der neue Chorleiter Josef Sixtl genötigt fühlte, die anfänglich festgelegten zwei Probenstunden pro Woche auf drei Termine wöchentlich aufzustocken. Dieses doch sehr ansehnliche Pensum ließ sich aber nicht lange durchhalten. Gerade zur Erntezeit war es daher nötig, Rücksicht auf die Anforderungen von Landwirtschaft und Handwerk zu nehmen. Das bedeutete jedoch nicht, dass das Proben vernachlässigt wurde, es erfolgte lediglich eine Aufteilung nach Stimmlage, einmal wurden die Tenöre, einen anderen Abend die Bässe herangenommen, an einem weiteren Abend in der Woche wurde dann in einer Gesamtprobe das jeweils Erarbeitete zusammengeführt.

Zuckerbrot und Peitsche

Man möchte fast Mitleid mit den geschundenen Gesellen haben, die sie sich ein Murren nicht immer verkneifen konnten, doch muss gesagt werden, dass in der Liedertafel neben der Peitsche auch das sprichwörtliche Zuckerbrot unter verdienstvollen Chormitgliedern in Form von Belobigungen, Stammkrügeln und später auch Büchern verteilt wurde. Leider bedeutete das nicht zwangsläufig, dass die Chorleiter keinen lauen Probenbesuch zu beklagen hatten. Auf wohlmeinende Ermahnungen reagierte manch „Übeltäter“ eher verstockt oder gar mit Austritt, einem Mittel, das umgekehrt auch Chormeister anwendeten, wenn es Beitrittskandidaten schon im Vorfeld an Zuverlässigkeit fehlen ließen.

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